Inhaltsverzeichnis
Lara Luisa Schott-Storch de Gracia
„Weibliche Körper am Hof. Medizinhistorische Perspektiven“
Die Frühe Neuzeit erweist sich aus einer medizinhistorischen Perspektive als besonders dynamische Epoche, in deren Verlauf sich neue Formen heilkundigen Denkens und Handelns entwickelten, die den Kanon antiker Konzepte ergänzten: Vielfältige medizinische Strömungen mit teils unterschiedlichen theoretischen Ansätzen, ein verstärktes Interesse gegenüber anatomischen Studien sowie der Autopsie schlugen sich in medizinischen Diskursen und Praktiken nieder. Zudem lässt sich eine Intensivierung der Prozesse der Medikalisierung, Akademisierung und Professionalisierung konstatieren. Medizinische Fachberufe wurden sukzessive institutionalisiert und an konkrete Richtlinien gebunden. Auch der Blick auf die Kranken veränderte sich, die vermehrt als Patienten wahrgenommen wurden.
Diese Entwicklungen lassen sich nicht zuletzt anhand der weiblichen Heilkunde dokumentieren. So wuchs im 18. Jahrhundert das akademische Interesse gegenüber dem weiblichen Körper. Die ehemals weiblichen Domänen der Frauenheilkunde und der Geburtshilfe rückten verstärkt in den Kompetenzbereich männlicher Experten. Besonders signifikant stellt sich der Wandel vom weiblichen Ritual der Entbindung hin zur vom Arzt bzw. Geburtshelfer angeleiteten Operation dar.
Das Dissertationsprojekt untersucht die Auswirkungen dieser Entwicklungen anhand der Höfe von Wien, Madrid und Neapel im 18. Jahrhundert, insbesondere mit Blick auf die Frauen der herrschenden Dynastien. In diesem Zusammenhang sollen Wissenskulturen, pathologische Erscheinungen und alltägliche Praktiken rund um den Körper der Fürstin akteurszentriert ergründet werden. Es soll untersucht werden, welchen heilkundigen Expertengruppen sich fürstliche Familien anvertrauten und mit welchen Therapiemethoden, Arznei- und Hilfsmitteln diese behandelt wurden. Insbesondere sollen dabei spezifisch weibliche Körpererfahrungen der Fürstinnen – von der Menarche, der Sexualität, der Schwangerschaft, der Entbindung, dem Wochenbett bis hin zur Menopause – und deren Selbstwahrnehmung eruiert werden.
Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger
Bianca Stapf
„Kaiser Ferdinand III. und die Reform des Reichshofrats“
Die Erforschung des Reichshofrats hat in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte zu verzeichnen. Bislang fehlt jedoch eine umfassende Betrachtung des Normsetzungsprozesses am Reichshofrat; eine Leerstelle, zu deren Schließung dieses Projekt einen Beitrag leisten möchte.
Im Mittelpunkt steht der Aushandlungsprozess einer Rechtsnorm am Beispiel der Reform der Reichshofratsordnung von 1654. Ihr vorangegangen waren jahrzehntelange Auseinandersetzungen um die Gestaltung der Reichsjustiz, insbesondere der Stellung der der Gerichtsbarkeit des Kaisers und seines Reichshofrates. Die Publikation der neuen Reichshofratsordnung 1654 führte jedoch nicht zum Ende der Auseinandersetzungen und Kritik am Reichshofrat, denn die Diskrepanz zwischen Normsetzung und -anwendung bestand weiterhin fort. Deshalb sollen Akteure, Zielsetzungen und Abläufe von Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen den Kern der Arbeit bilden. Außerdem wird kritisch untersucht, welche Änderungen (nicht) vorgenommen wurden und welche Bedeutung diesen zukommt.
Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger
Isabell Rahms
Das Mainzer Domkapitel im Dreißigjährigen Krieg
In der Dissertation liegt ein zeitlicher Fokus auf dem letzten Drittel des Krieges, insbesondere auf der Zeit der französischen Besatzung (1644-1650). Das zentrale Erkenntnisinteresse der Dissertation ist es, die Handlungsräume des Domkapitels als Corpus, aber auch einzelner Domkapitulare zu untersuchen. Wo und wie konnte das Domkapitel als Herrschaftsträger agieren? Wie weit reichte sein Einflussbereich, wie weit erstreckten sich seine Kommunikationsnetzwerke? Das Dissertationsprojekt versteht sich somit als ein Beitrag zur Erforschung von Herrschaftsräumen und Raumstrukturen im frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.
Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger
Lisa Astrid Bestle
Die Kulp-Kann'schen Wirren in Frankfurt am Main (Gefördert durch das Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk)
Die nach ihren Hauptakteuren benannten „Kulp‘-Kann’schen Wirren“ in Frankfurt begannen 1749 als innerjüdischer Konflikt um die empfundene Vorherrschaft einer der Gemeindevorsteher. Trotz der internen Bemühungen der Gemeinde, den Konflikt zu lösen, eskalierte die Situation und es kam zu handfesten Konfrontationen. Infolgedessen wurde neben der Reichsstadt auch der Kaiser als zuständige Obrigkeit der Gemeinde für mehr als zwanzig Jahre in die Auseinandersetzung einbezogen. Im langjährigen Ringen um innerjüdische und obrigkeitliche Kompetenzen zerfiel die Gemeinde in verschiedene Fraktionen, die sich auf unterschiedliche Weisen um Intervention und Beilegung des Konflikts bemühten. Das Dissertationsprojekt nimmt die Kommunikation der Konfliktparteien in den Blick: es interessieren hierbei vor allem die Strategien und deren zugrundeliegende Absicht, die in Kontakt mit den beiden Obrigkeiten genutzt wurden. Mit dieser Zielsetzung schließt sich die Arbeit dem aktuellen Forschungskanon zu Autonomie und Zusammenspiel von jüdischen Gemeinden und ihren Obrigkeiten an und liefert als Fallstudie weitere Details zur jüdischen Geschichte Frankfurts im 18. Jahrhundert.
Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger
Sven Dittmar
Bistumskumulation im Alten Reich:
Das Beispiel des Mainzer Erzbischofs und Bamberger Bischofs Lothar Franz von Schönborn
Bistumskumulationen, also die gleichzeitige Herrschaft über zwei oder mehr Geistliche Staaten, waren im frühneuzeitlichen Reich häufig, stellen aber im Gegensatz zu den gut erforschten weltlichen Personalunionen noch ein Forschungsdesiderat dar. Das Forschungsprojekt soll anhand des besonders einschlägigen Fallbeispiels Mainz/Bamberg unter Lothar Franz von Schönborn (1694/95-1729) die Kumulationsbeziehungen geistlicher Fürstentümer des Alten Reichs untersuchen. Das Projekt knüpft an die Fragestellungen und Ergebnisse aktueller Forschungen zu zusammengesetzter Staatlichkeit in der Frühen Neuzeit an, bereichert diese aber um einen bislang weitgehend ausgeblendeten Bereich. Dabei handelt es sich aber nicht nur um eine dringend wünschenswerte Ergänzung durch die Erweiterung dieser Forschungen auf geistliche Staaten. Denn die Bistumskumulationen weisen im Vergleich zu den Personalunionen weltlicher Staaten eine Reihe von Spezifika auf:
Sie waren nicht durch dynastische Erbfolge begründet und bedurften für ihre Fortsetzung nach dem Tod des Amtsinhabers einer bewussten Entscheidung der betroffenen Domkapitel. Außerdem wurden nicht nur weltliche Herrschafts-, sondern zugleich geistliche Hirtenämter kumuliert. Die dem Anliegen einer guten Seelsorge zuwiderlaufende Bistumskumulation machte daher auch im geistlichen Bereich spezifische Vertretungsregelungen und Legitimationsansätze erforderlich. Zugleich wohnt dem Projekt erhebliches methodisches Innovationspotential inne, indem hier die eher politik- und sozialgeschichtlichen Ansätze in der Erforschung zusammengesetzter Staatlichkeit zusammengeführt werden mit neueren, meist kulturgeschichtlichen Forschungsansätzen zur Germania Sacra. Folgende wichtige Untersuchungsfelder lassen sich identifizieren: die Bedeutung der Kumulation für die betroffenen Bistümer, die feststellbaren Auswirkungen auf die (weltliche wie geistliche) Regierungspraxis und Handlungsspielräume sowie die Herrschaftsrepräsentation des Fürstbischofs, die Folgen für die höfischen und die lokalen Herrschaftseliten, Synergien, aber auch mögliche Strukturprobleme der Herrschaft und durch die Kumulation bedingte Konflikte. Die aufgezählten Untersuchungsfelder sind dabei mannigfaltig miteinander verbunden. Um der Multidimensionalität des Themas gerecht zu werden, verknüpft das Forschungsprojekt politik- und kulturgeschichtliche sowie sozial-, kirchen- und wirtschaftsgeschichtliche Ansätze. Damit leistet es einen Beitrag zur Erforschung von Herrschaft und Staatlichkeit im Heiligen Römischen Reich, zur Adels- und Dynastiegeschichte und zur Geschichte der Geistlichen Staaten.
Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger
Hannes Alterauge
„Handlungsräume frühneuzeitlicher Kaiserinnen. Eleonora Gonzaga (1589-1655) und Eleonora Gonzaga-Nevers (1628-1686)"
Eleonora Gonzaga und ihre Großnichte, Eleonora Gonzaga-Nevers, stammten beide aus dem norditalienischen Herzogtum Mantua. Nach ihrer Heirat mit Kaiser Ferdinand II. bzw. Ferdinand III. siedelten sie nach Wien über und wirkten dort als Kaiserinwitwen lange über den Tod ihrer Ehegatten hinaus. Sie waren wichtige Mediatorinnen im Verhältnis zwischen dem Reich und dem Herzogtum und vertraten wechselseitig sowohl die Interessen ihrer Herkunftsdynastie (Gonzaga bzw. Gonzaga-Nevers) als auch die ihrer Ankunftsdynastie (Habsburg).Das Dissertationsvorhaben folgt der neueren Politikgeschichte, die den Politikbegriff um sozial- und kulturgeschichtliche Aspekte erweitert. Mikropolitik, Kulturgeschichte des Politischen, Patronage- und Netzwerkpolitik, Kulturaustausch oder Herrschaftsrepräsentation stellen Untersuchungsansätze dar, mittels derer in einer akteurszentrierten und der Histoire croisée folgenden doppelten Fallstudie zwei Römisch-Deutsche Kaiserinnen hinsichtlich ihrer Handlungsmöglichkeiten und Handlungsräume auf politischem Parkett analysiert werden. Zwar hat die neuere Forschung zahlreiche Studien zu (hoch)adligen Frauen hervorgebracht, die ranghöchsten Fürstinnen, eben die Römisch-Deutschen Kaiserinnen, sind bislang jedoch kaum in den Blick genommen worden. Das Projekt wird dazu beitragen, diese Forschungslücke weiter zu schließen.
Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger
Patrick Henn
„Vormundschaftliche Herrschaft um 1800: Regentinnen deutscher Kleinstaaten zwischen
Ancien Régime und Restauration“
„Die ersten 20 Jahre meines Lebens entflohen nach dem alten Styl aber das Zeitalter reißt fort
[…].“ Als Pauline zur Lippe (1769-1820) im Jahr 1818 diese Feststellung machte, konnte sie
auf ein Leben zurückblicken, das sich vor dem Hintergrund tiefgreifender politischer Umbrüche
und gesellschaftlicher Wandlungsprozesse ereignet hatte. Das Dissertationsprojekt untersucht,
inwieweit sich die politischen Umbrüche und die zunehmende Vermännlichung der politischen
Sphäre in den Jahrzehnten um 1800 auf die Herrschaft kleinstaatlicher Regentinnen auswirkten.
Als Fallbeispiele dienen dabei die Regentschaften Julianes zu Schaumburg-Lippe (Reg. 1787-
1799) und Paulines zur Lippe (Reg. 1802-1820). Im Fokus des Erkenntnisinteresses stehen
neben der Legitimierung weiblicher Regentschaft um 1800 und deren Repräsentation vor allem
die Stellung der Regentin innerhalb der vormundschaftlichen Regierung sowie ihr
Regierungshandeln unter den spezifischen Bedingungen des späten Alten Reichs, des
Rheinbundes und des frühen Deutschen Bundes. In akteurszentrierter Perspektive untersucht
die Arbeit die Regentinnen als Entscheidungsträgerinnen innerhalb ihrer Regierungen und als
außenpolitische Akteurinnen. Es wird ermittelt, welche Handlungsfelder vormundschaftliche
Regentinnen um 1800 innehatten und welche Entscheidungsgewalt sie auf diese entfalten
konnten. Damit ist das Dissertationsprojekt ein Beitrag zu der Frage, inwieweit sich die
gesellschaftliche Stellung und die politischen Handlungsspielräume von Frauen in den als
Epochenwende begriffenen Jahrzehnten um 1800 veränderten. Der Fokus auf die Grafschaft
Schaumburg-Lippe und das Fürstentum Lippe verspricht zudem einen innovativen Impuls für
die Forschungsdiskussion über die sogenannte „Sattelzeit“, die in der kleinstaatliche Perspektiven
unterrepräsentiert sind.
Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger