Aktuelle Dissertationsprojekte

Hannes Alterauge

„Handlungsräume frühneuzeitlicher Kaiserinnen. Eleonora Gonzaga (1589-1655) und Eleonora Gonzaga-Nevers (1628-1686)"

Eleonora Gonzaga und ihre Großnichte, Eleonora Gonzaga-Nevers, stammten beide aus dem norditalienischen Herzogtum Mantua. Nach ihrer Heirat mit Kaiser Ferdinand II. bzw. Ferdinand III. siedelten sie nach Wien über und wirkten dort als Kaiserinwitwen lange über den Tod ihrer Ehegatten hinaus. Sie waren wichtige Mediatorinnen im Verhältnis zwischen dem Reich und dem Herzogtum und vertraten wechselseitig sowohl die Interessen ihrer Herkunftsdynastie (Gonzaga bzw. Gonzaga-Nevers) als auch die ihrer Ankunftsdynastie (Habsburg).Das Dissertationsvorhaben folgt der neueren Politikgeschichte, die den Politikbegriff um sozial- und kulturgeschichtliche Aspekte erweitert. Mikropolitik, Kulturgeschichte des Politischen, Patronage- und Netzwerkpolitik, Kulturaustausch oder Herrschaftsrepräsentation stellen Untersuchungsansätze dar, mittels derer in einer akteurszentrierten und der Histoire croisée folgenden doppelten Fallstudie zwei Römisch-Deutsche Kaiserinnen hinsichtlich ihrer Handlungsmöglichkeiten und Handlungsräume auf politischem Parkett analysiert werden. Zwar hat die neuere Forschung zahlreiche Studien zu (hoch)adligen Frauen hervorgebracht, die ranghöchsten Fürstinnen, eben die Römisch-Deutschen Kaiserinnen, sind bislang jedoch kaum in den Blick genommen worden. Das Projekt wird dazu beitragen, diese Forschungslücke weiter zu schließen.

Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger

Lisa Astrid Bestle

Die Kulp-Kann'schen Wirren in Frankfurt am Main (Gefördert durch das Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk)

Die nach ihren Hauptakteuren benannten „Kulp‘-Kann’schen Wirren“ in Frankfurt begannen 1749 als innerjüdischer Konflikt um die empfundene Vorherrschaft einer der Gemeindevorsteher. Trotz der internen Bemühungen der Gemeinde, den Konflikt zu lösen, eskalierte die Situation und es kam zu handfesten Konfrontationen. Infolgedessen wurde neben der Reichsstadt auch der Kaiser als zuständige Obrigkeit der Gemeinde für mehr als zwanzig Jahre in die Auseinandersetzung einbezogen. Im langjährigen Ringen um innerjüdische und obrigkeitliche Kompetenzen zerfiel die Gemeinde in verschiedene Fraktionen, die sich auf unterschiedliche Weisen um Intervention und Beilegung des Konflikts bemühten. Das Dissertationsprojekt nimmt die Kommunikation der Konfliktparteien in den Blick: es interessieren hierbei vor allem die Strategien und deren zugrundeliegende Absicht, die in Kontakt mit den beiden Obrigkeiten genutzt wurden. Mit dieser Zielsetzung schließt sich die Arbeit dem aktuellen Forschungskanon zu Autonomie und Zusammenspiel von jüdischen Gemeinden und ihren Obrigkeiten an und liefert als Fallstudie weitere Details zur jüdischen Geschichte Frankfurts im 18. Jahrhundert.

Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger

Matteo Enrico Casati

The Habsburgs and the Lombard Imperial fiefs. Aggregations, homologations and permanences in the century of reforms

This project aims to inspect the relations between Habsburgs and the Lombard imperial fiefs in the age of reforms. Being scattered in border areas and directly depending on the Holy Roman Empire, these fiefs had been enjoying several immunities for centuries, both fiscal and jurisdictional. Because of the jurisdictional separation, they were often useful as shelters for all kinds of criminals, as well as storages for smuggled goods. Therefore, it is clear that they were a source of many problems for the taxation and for the justice of
Austrian Lombardy.
Between the Sixties and Seventies of the 18th century, in conjunction with the second wave of reforms, in Vienna it was finally decided to act to solve the problem: within a decade many of these fiefs were purchased by Maria Theresa and then aggregated to the Austrian Lombardy, while others, although remaining to their own feudal lords, were fiscally homologated to the state. Others, instead, were not involved in the process and
retained every privilege until the French invasion.
Despite the imperial fiefs have been subject of an increasing historiographic attention over recent years, their fate in the crucial period of the reforms has not yet been specifically studied. An attempt to fill this void will therefore be made examining the history of the Lombard imperial feudalism in the 18th century, which is also an ideal observatory for evaluating some directions and outcomes of the policy of rationalization and struggle against particularism promoted by Habsburgs in the roaring years of
reformism.
The aim of the research is to investigate, on the one hand, the features of these fiefs and the assessments made by the House of Austria towards them, and, on the other, the methods by which some of them were aggregated or homologated to the Habsburgs dominions, and then the results, as well as the consequences, of these processes from the financial, administrative and "policing" point of view.
For the research will be mainly used the sources conserved in the State Archives in Milan, where particular attention will be devoted to the Feudi imperiali collection, in the Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien and in the State Archives in Mantua. Additional information will then be collected by conducting research in some local and private archives.

Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger

Sven Dittmar

Bistumskumulation im Alten Reich:
Das Beispiel des Mainzer Erzbischofs und Bamberger Bischofs Lothar Franz von Schönborn

Bistumskumulationen, also die gleichzeitige Herrschaft über zwei oder mehr Geistliche Staaten, waren im frühneuzeitlichen Reich häufig, stellen aber im Gegensatz zu den gut erforschten weltlichen Personalunionen noch ein Forschungsdesiderat dar. Das Forschungsprojekt soll anhand des besonders einschlägigen Fallbeispiels Mainz/Bamberg unter Lothar Franz von Schönborn (1694/95-1729) die Kumulationsbeziehungen geistlicher Fürstentümer des Alten Reichs untersuchen. Das Projekt knüpft an die Fragestellungen und Ergebnisse aktueller Forschungen zu zusammengesetzter Staatlichkeit in der Frühen Neuzeit an, bereichert diese aber um einen bislang weitgehend ausgeblendeten Bereich. Dabei handelt es sich aber nicht nur um eine dringend wünschenswerte Ergänzung durch die Erweiterung dieser Forschungen auf geistliche Staaten. Denn die Bistumskumulationen weisen im Vergleich zu den Personalunionen weltlicher Staaten eine Reihe von Spezifika auf:

Sie waren nicht durch dynastische Erbfolge begründet und bedurften für ihre Fortsetzung nach dem Tod des Amtsinhabers einer bewussten Entscheidung der betroffenen Domkapitel. Außerdem wurden nicht nur weltliche Herrschafts-, sondern zugleich geistliche Hirtenämter kumuliert. Die dem Anliegen einer guten Seelsorge zuwiderlaufende Bistumskumulation machte daher auch im geistlichen Bereich spezifische Vertretungsregelungen und Legitimationsansätze erforderlich. Zugleich wohnt dem Projekt erhebliches methodisches Innovationspotential inne, indem hier die eher politik- und sozialgeschichtlichen Ansätze in der Erforschung zusammengesetzter Staatlichkeit zusammengeführt werden mit neueren, meist kulturgeschichtlichen Forschungsansätzen zur Germania Sacra. Folgende wichtige Untersuchungsfelder lassen sich identifizieren: die Bedeutung der Kumulation für die betroffenen Bistümer, die feststellbaren Auswirkungen auf die (weltliche wie geistliche) Regierungspraxis und Handlungsspielräume sowie die Herrschaftsrepräsentation des Fürstbischofs, die Folgen für die höfischen und die lokalen Herrschaftseliten, Synergien, aber auch mögliche Strukturprobleme der Herrschaft und durch die Kumulation bedingte Konflikte. Die aufgezählten Untersuchungsfelder sind dabei mannigfaltig miteinander verbunden. Um der Multidimensionalität des Themas gerecht zu werden, verknüpft das Forschungsprojekt politik- und kulturgeschichtliche sowie sozial-, kirchen- und wirtschaftsgeschichtliche Ansätze. Damit leistet es einen Beitrag zur Erforschung von Herrschaft und Staatlichkeit im Heiligen Römischen Reich, zur Adels- und Dynastiegeschichte und zur Geschichte der Geistlichen Staaten.

Isabell Rahms

Das Mainzer Domkapitel im Dreißigjährigen Krieg

In der Dissertation  liegt ein zeitlicher Fokus auf dem letzten Drittel des Krieges, insbesondere auf der Zeit der französischen Besatzung (1644-1650). Das zentrale Erkenntnisinteresse der Dissertation ist es, die Handlungsräume des Domkapitels als Corpus, aber auch einzelner Domkapitulare zu untersuchen. Wo und wie konnte das Domkapitel als Herrschaftsträger agieren? Wie weit reichte sein Einflussbereich, wie weit erstreckten sich seine Kommunikationsnetzwerke?  Das Dissertationsprojekt versteht sich somit als ein Beitrag zur Erforschung von Herrschaftsräumen und Raumstrukturen im frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger

Hendrik Ulle

„Handlungsspielräume mittelrheinischer Reichsritter im 17. und 18. Jahrhundert“

„Mit dem Untergang der Reichsritterschaft im Zeitalter der französischen Revolution und der napoleonischen Kriege wurde eines der merkwürdigsten Gebilde des alten Reiches beseitigt: ein archaischer Personenverband von Grundherren, der gestützt auf Privilegien, auf die mittlerweile petrifizierte Reichsverfassung und den Schutz des Reichsoberhaupts, seine Existenz inmitten von Territorialstaaten und unmittelbar unter dem Kaiser behauptet hat.“

Mit jenen Worten begann Volker Press in den 1970ern seinen maßgeblichen Aufsatz zur Reichsritterschaft, diesem so merkwürdigen und doch bemerkenswerten Gebilde innerhalb des „Monstrums“ der Reichsverfassung. In der Erforschung der Reichsritterschaft hat sich seitdem viel getan, immer mehr Arbeiten nehmen jene Gruppierung frühneuzeitlicher Niederadliger unter sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekten unter die Lupe. Das Dissertationsvorhaben möchte diesem Trend folgen und mittelrheinische Reichsritter unter einem akteurszentrierten bzw. mikrogeschichtlichen Blickwinkel behandeln. Die Fallstudie befasst sich dabei mit der Verbindung von einzelnen Adligen zur Ritterschaft und der Frage, inwiefern die Inanspruchnahme der Organisation Handlungsspielräume verändern oder überhaupt erst ermöglichen konnte. Als in diesem Zusammenhang wichtigstes Feld werden Reichshofratsprozesse einzelner Siegerländer Adliger gegen das reformierte Fürstenhaus Nassau-Siegen in den Blick genommen, wobei der Fokus auf Ende des 17. und Beginn des 18. Jahrhunderts gelegt wird.

Betreuer: Prof. Dr. Matthias Schnettger