Digitale Kartenwerkstatt Altes Reich (DigiKAR)

DIGITALE KARTENWERKSTATT ALTES REICH (DIGIKAR): KOOPERATIONSPROJEKT ZUR INNOVATIVEN MODELLIERUNG UND VISUALISIERUNG HISTORISCHER RÄUME

Projektleitung am Arbeitsbereich: apl. Prof. Dr. Bettina Braun, Prof. Dr. Matthias Schnettger 

Projektbearbeitung am Arbeitsbereich: Sven Dittmar, M.A. zuvor Florian Stabel M.A. / M.Ed. / Diplom-Archivar (FH)

Projektpartner: Leibniz-Institut für Europäische Geschichte Mainz (IEG), Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig (IfL), Leibniz-Institut für Ost- und Südost-Europaforschung Regensburg (IOS), École des Hautes Étude en Sciences Sociales, Centre Georg Simmel – Recherches franco-allemandes en sciences soziales und Centre de recherches historiques, Paris (EHESS)
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Historisches Seminar, Arbeitsbereich Neuere Geschichte (JGU)

Zeitraum: 2021 – 2024

Gefördert durch die Leibniz-Gemeinschaft

 

Projektvorstellung

DIGIKAR: HISTORISCHE RÄUME NEU DENKEN

Das Projekt DigiKAR widmet sich Fragen der Fragmentierung, Verflechtung, Pluralität, und Konkurrenz räumlicher Strukturen im frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Anhand zweier Fallstudien zu den Kurfürstentümern Mainz und Sachsen werden in der „digitalen Kartenwerkstatt“ alternative Ansätze für die Erfassung, Aufbereitung und Darstellung mehrdeutiger räumlicher Konfigurationen und Praktiken erarbeitet. DigiKAR möchte damit einerseits generell einen Beitrag zur geschichtswissenschaftlichen Erforschung des Alten Reichs als Raum geteilter und überlappender Herrschaft leisten. Andererseits sollen innovative und für andere Forschungsprojekte anschlussfähige Konzepte sowie „Best Practices“ der Sammlung, Modellierung und Visualisierung von ortsbezogenen historischen Daten entwickelt werden.

Die vom Arbeitsbereich Neuere Geschichte des Historischen Seminars bearbeitete Fallstudie zu Kurmainz nähert sich der komplexen Raumstruktur des Alten Reiches über einen (kollektiv-)biographischen Ansatz. Untersucht werden hier Mobilität und multiple Zugehörigkeiten kurmainzischer
Funktionsträger. „Mobilität“ wird dabei maßgeblich als „biographische Mobilität“ verstanden, die sich auf unterschiedliche Verortungen von Personen in verschiedenen Lebensphasen hinweg bezieht und etwa von Formen der alltäglichen Mobilität abzugrenzen ist. Im Fokus der Fallstudie stehen also v.a. ortsbezogene Aspekte biographischer Praktiken potenziell mobiler Akteure und was sie über räumliche Strukturen und Grenzvorstellungen aussagen. Gefragt wird etwa nach Karrieremustern und Zusammenhängen zwischen biographischen Verortungen und (gleich- sowie ungleichzeitigen) Zugehörigkeiten zu verschiedenen politischen, rechtlichen und sozialen Kreisen, ferner zu Faktoren wie sozialer und geographischer Herkunft und Ausbildung.

Der besondere Reiz des kurmainzischen Fallbeispiels besteht nicht zuletzt auch in den zugleich typischen als auch einzigartigen Rahmenbedingungen, die es bietet: Als vornehmster Kurfürst und Reichserzkanzler verbanden die Mainzer Herrscher die regionale, territoriale und Reichsebene ideell und materiell so eng miteinander, wie kein anderes Territorium. Es stellt sich die Frage ob und, wenn ja, wie sich diese Verbindung auch in den biographischen Verortungen seiner Funktionsträger widerspiegelte. Eine andere Frage rekurriert auf das Typische des Mainzer Beispiels, nämlich seine Manifestation als besonders fragmentierter Herrschaftsraum; Kurmainz war geradezu der Prototyp des „Flickenteppichs“. Hier drängt sich nicht zuletzt die Frage auf, inwieweit bestimmte Räume durch freiwillige und – etwa in Form einer „kurfürstlichen Personalpolitik“ – gesteuerte Mobilität bewusst oder unbewusst (des-)integriert wurden.

Die besondere Herausforderung des kurmainzischen Fallbeispiels besteht dagegen nicht zuletzt in der Erschließung und Sammlung der relevanten biographischen Daten aus heterogenen Quellen: Die archivalische Überlieferung ist infolge der Auflösung des Kurfürstentums 1803 regional stark zersplittert, Vorarbeiten sind aus diesem Grunde in recht überschaubarer Zahl verfügbar. Noch dazu stellt die Verfolgung individueller Lebenswege über (kurmainzische) Grenzen hinweg eine besondere Schwierigkeit dar.